In der Doppelausstellung der zwei jungen Künstler_innen Meike Kuhnert und Michel Aniol Orientations in Time and Space werden Fragen zu zeitgenössischer Malerei und zur Bedeutung und unserem Umgang mit Objekten verhandelt.
„schönes Bild!? fehlt Farbe!?“ ist auf einem Klebezettel zu lesen. Er scheint neben eine Bleistiftskizze eines Raumes geheftet. „könnte man malen“ steht auf einem anderen abgerissenen Notizzettel, über dem scheinbar einfarbige Folienschnipsel kleben. Fotografische Abbildungen, Stofffetzen, kleinere Farbstudien, dazu kommentierende Fragestellungen und Handlungsanweisungen („malen“) – die zwölf kleinformatigen Malereien von Meike Kuhnert werden in einer aus stoffbespannten Holzrahmen bestehenden, pavillonartigen Architektur präsentiert. Es sind in Trompe-l’œil-Manier gefertigte Collage unterschiedlichster Materialien und Gedanken, welche die Möglichkeiten zeitgenössischer Malerei befragen. Dabei handelt es sich um Abmalungen ihrer eigenen Skizzenbücher, die der Künstlerin eigentlich als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für ihre Arbeiten dienen. In dieser Ausstellung werden die Skizzen selbst in Öl auf Leinwand ausgeführt und als Malerei behauptet. So wird der Arbeitsprozess thematisch. Die Fragen, welche die Künstlerin sonst an sich selbst richtet, werden nun den Besucher_innen gestellt. Sie werden aufgefordert, sich mit den Ideen und Einfällen der Künstlerin auseinanderzusetzen, sie weiterzudenken und nicht ausformulierte Ansätze zu imaginieren.
Die Ästhetik der Installation von Michel Aniol ist eine gänzlich andere. In dem kleinen Raum befinden sich drei Sitzgelegenheiten – ein Liegestuhl, ein Sitzsack sowie drei zusammengerückte Steine –, die zu einer wandfüllenden Landschaftsabbildung ausgerichtet sind. Darauf sind drei ‚Protagonist_innen’ platziert – reliefartige Betonplatten in klassischem Portraitformat – mit den Titeln: The Artist (auf dem Sitzsack), The Philosopher (auf dem Liegestuhl), The Explorer (auf den Steinen). Die Platten erinnern an Fossilien und weisen Abdrücke unterschiedlichster Gegenstände auf – zu entdecken sind unter anderem Silhouetten von Muscheln, Schlüsseln, Seilen, Flaschen, Masken und Figuren. Diese Abdrücke von zivilisatorischen Abfällen, Alltagsgegenständen, indigenen Kulturgütern und Überresten von Lebewesen werden unterschiedslos in pigmentiertem Beton präsentiert. Ihre Materialität, ihre Farbigkeit, ihr Kontext sowie ihr ursprünglicher (Gebrauchs-)Wert gehen bei der Transformation verloren. Für Michel Aniol steckt darin auch eine institutionskritische Komponente: „In Ethnologischen Museen werden Exponate wie beispielsweise Alltagsgegenstände indigener Völker häufig ohne Kontext präsentiert, mit einer Landschaftsabbildung im Hintergrund für die geografische Verortung und einem Label, dass die Bedeutung des Objektes in zwei Sätzen zu erfassen versucht.“ Diese Kategorisierung und Systematisierung sowie die damit einhergehende Bedeutungsreduktion wird im unhierarchischen Nebeneinander unterschiedlichster Kulturzeugnisse seiner Arbeiten aufgegriffen und kritisch in Frage gestellt.
Die beiden Ausstellungsteile verbindet nicht nur ihr Sammlungs- und Archivierungscharakter, sondern auch ihre Erfahrbarkeit. Die Besucher_innen werden jeweils auf humorvolle und geistreiche Weise herausgefordert, sich mit dem Gezeigten und dessen vielfältigen Implikationen auseinanderzusetzen.
Isabelle Meiffert